Hey, du bist ja immer noch da. Schön dich zu sehen! Ich habe mich vorab beim Verfassen dieses Textes gefragt, was dich wohl am allermeisten an der ganzen Thematik interessieren würde. Vielleicht das „warum“ hinter dem ganzen? Ob ich auf Frauen stehe? Oder mein gesellschaftlicher Standpunkt dazu?
Jetzt, da du noch immer liest, muss ich die berühmte Katze aus dem Sack lassen, meine Gedanken entblößen und mit offenen Karten spielen. Denn ich kann mir sehr gut vorstellen, dass du aktuell so viele quälende Fragen hast, dass du womöglich gar nicht weißt, welche dich am brennendsten interessieren. Und dabei ist es egal, ob du Partnerin eines Mannes bist, der das gleiche Hobby oder Fable teilt wie ich. Ob du schlicht am Thema Interesse hast. Oder ob du keine Frau bist und lediglich denselben Hang hast wie ich.
Stelle dir vor, wir zwei säßen jetzt am Lagerfeuer. Du trägst dein Lieblingsoutfit und ich meins. Und du hättest genau drei Fragen frei. Überlege dir deshalb gut, was du wissen möchtest…
Womöglich kommen dir zunächst mehrere Fragen in den Sinn. Wie war wohl der Anfang meiner Geschichte? Eventuell denkst du beispielsweise sofort, ich müsste doch auf Männer stehen und dann interessiert es dich am meisten, wieso & seit wann ich das eigentlich mache. Und dann möchtest du womöglich wissen, ob ich mich als Mann wohl fühle oder mich nicht lieber zur Frau operieren lassen will? Und ob ich meine Beziehung infrage stelle, meine vergangenen Beziehungen mich gar dazu getrieben haben könnten.
Keine Sorge: Kleider *machen* zwar Leute, sie *sind* aber keine. Sie drücken lediglich Gefühle, Stimmungen und Berufsstände nach außen aus. Die Frage ist vielmehr: was war zuerst da. Der Wunsch sich so zu kleiden oder die Kleidung und man hat es einfach mal probiert? Kleider repräsentieren Hierarchien, sexuelle Vorlieben und Hobbies. Und prägen sportliche Ausprägungen, Team Zugehörigkeiten und zuletzt auch Gesinnungen. Keines dieser Adjektive passt so recht auf mich. Bei mir war einst einfach mal ein Kleid da und ich habe es anprobiert. Mir gefiel der hautenge Schnitt, der sanft kühle Stoff auf meiner Haut und das unsichere, verletzliche Gefühl, was ich spüre, wenn die Kleidung ein wenig Kürzer ist und sich somit auch mein Verhalten ändert, sodass nichts ungewollt hervorspitzt.
Bei mir war die Homosexualität zum Beispiel nie Thema. Auch nicht, dass ich mich in irgendeiner Form zu Männern hingezogen fühlen würde. Weder im normalen gesellschaftlichen Outfit, noch im femininen Dress. Ebenso fühle ich mich, bis auf manche Druck Situationen, äußerst wohl in meiner männlichen Haut – und ja, gefühlt steht im hiesigen Jahrhundert das männliche Geschlecht unter größerem Druck als das Weibliche. Da in jedweder Debatte das vermeintlich schwache Geschlecht das besonders schützenswerte, und das angeblich starke Geschlecht das zu Dominante ist und in die Schranken gewiesen werden muss. Aber das ist nur eine Meinung und ein subjektives Gefühl.
Nur wenn die Phrase „Kleider machen Leute“ korrekt ist, und Männer als das sogenannte starke Geschlecht gelten, warum gilt dann nur bei Männern eine starre, unfreie und überschaubare Kleiderauswahl und sie zu durchbrechen aktuell noch gesellschaftlich – sagen wir mal – schwierig? Und woher kommt es?
Es ist für Kinder kleinen Alters völlig egal, was sie tragen. Verkleidung drückt keine Sexualität oder geschlechtliche Gesinnung aus. Auch ist die Herkunft des anderen absolut egal. Doch wehe dem, wenn Mädchen mit Autos spielen oder Jungs mit Puppen, steht die Welt der Helikopter-Eltern und „mein Kind kann schon und deins nicht“-sagender Erziehungsmonster Kopf. Kinder sind frei von gesellschaftlichen Zwängen – bis die sogenannte Erziehung kommt. Und so kam es, dass die ersten Berührungen mit femininer Kleidung, wie bei fast zwei Dritteln aller Gleichgesinnten im häuslichen Kleiderschrank im Zimmer nebenan stattfand.
Aber zurück zum hier und jetzt. Offensichtlich fallen Frauen durch deutlich mehr Vielfalt auf und durch sehr viel mehr Freiheit und Freizügigkeit, als die männlichen Kollegen es tun dürften oder könnten. Die Boyfriend Kleidung unterstreicht das Prinzip, dass Frauen einfach *alles* tragen dürfen. Und mal abgesehen von der Frage nach der Sinnhaftigkeit wenn ein sportlich gebauter Mann einen BH trägt, so ist es doch ein Unterschied ob Frauen sich unterstrichen maskuliner Kleidung bedienen, als wenn Männer es mit Femininer tun. Also, welchen Stellenwert hat Mode eigentlich in unserer Gesellschaft? Wann kommt der Punkt, an dem die Kleidungsregeln gelten – und wie frei und tolerant sind wir wirklich?
Aber zurück zum Anfang. Nicht nur zum Anfang dieses Beitrages, sondern ganz zum Anfang meiner „eigenen“ Kleiderkarriere. Denn ich erinnere mich sehr gut an die Situation in jungen Jahren, in welcher ich in einem Laden an das erste Paar eigene Highheels kam. Es waren keine Pumps, sondern wirklich absolute Waffen. Ein schwindelerregender Absatz in Holzoptik, welcher extrem dünn und somit eine Herausforderung war. Ansonsten hatte der Schuh eine gräulich dunkelgrüne Kunstleder Optik und war vorne abgerundet. Nicht ich habe diesen Schuh gefunden, sondern meine damalige Exfreundin. Sie wollte es. Sie suchte lange in ihren Mittagspausen nach Tretern in entsprechender Größe. Denn sie fand die Vorstellung extrem witzig, mich als Junge einmal in diesen Dingern stöckeln zu sehen. Typische Situationen eben, welche sich auch auf Teenie-Pyjama oder Übernachtungsparties ergeben haben, wenn dann doch ein weibliches Kleidungsstück rumlag und Wahrheit oder Pflicht gespielt wird. Oder wenn in Theaterstücken der Schule, die Oma von einem Jungen gespielt werden sollte. Du kennst das nicht? Vielleicht war ich einfach nur auf sehr komischen Parties mit sehr komischen Menschen auf einer sehr komischen Schule.
Jedenfalls war dieser Tag von ihr gut vorbereitet. Sie hatte unglaublich Lust und Schadenfreude mich bald darin zu sehen. Also sollte ich eines Abends nach ihrem Feierabend in die Innenstadt kommen. In dem Laden für Kleidung vorwiegend für junge Frauen, waren wir dann eines Abends gemeinsam. Sie deutete mit hämischen Grinsen auf die Schuhe und ich spielte überraschtes Desinteresse und Erregung vor Angst. Schließlich konnte ich nicht vor Freude aufschreien und rufen: „ja, das sind sie!“. Wobei das mit der Angst vor den Blicken der anderen absolut nicht gespielt war.
Und um der Situation die Krone aufzusetzen, kam ihr vor der Kasse ein knallrotes, gerafftes Satin-Bandeaukleid mit einseitigem, breiten Schulterträger und einer großen Schleife unter die Augen. Nicht für sich, sondern für mich. Gekauft und gezahlt habe ich es dann selbst, sie wartete draußen. Verlegen fragte ich die Verkäuferin, warum „ihr“ Frauen nur solche Schuhe tragen würdet. Das unterstreicht schließlich subtil, dass diese Schuhe nicht für mich sind. Auch wenn es sie mitnichten interessiert. Mit einem zauberhaften schüchternen Lächeln entgegnete sie nur, dass sie das so recht selbst gar nicht wisse, sie jedoch sehr das Enge-Gefühl des Fußes beim Tragen genießt.
Und genau das, kann ich nach all den Jahren noch immer genauso unterschreiben.
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