Damenkleider für Männer auf Geschäftsreise.
Es war bald wieder so weit. Eine Reise stand an, ganz im Zeichen des beruflichen Treibend. Geschäftsreisen beginnen und enden immer gleich. Mit langweiliger Bürokratie. Dem Buchen von Flug, Hotels und Mietwagen. Genauso wie dem abschließenden Abrechnen von Spesen, Reisekosten und co.
Es war so auch gar nicht geplant, muss ich zugeben. Ganz und gar nicht. Ich wollte wie üblich nur ein, zwei Kleidungsstücke mitnehmen, falls ich mich für ein, zwei Stunden am Hotelschreibtisch abmühen muss und dabei einfach ein adäquates Outfit möchte. So griff ich nach einem grau (blauen) Lederrock, einer petrolblauen Satinbluse, reizender Unterwäsche sowie einer schwarzen Stumpfhose und schwarzen Pumps. Ich bin es gewohnt meine Koffer für zwei Personen und zwei Outfit Varianten klassischer Geschlechter zu packen – während meine Frau nur für sich packen muss. Ich beneide sie um diesen leichten Umstand.
Ich konnte in jener Nacht nicht besonders gut schlafen. Hotelzimmer stören mich nicht wirklich, aber ab und zu wünscht du dir insgeheim an einem ganz anderen Ort zu sein. Manchmal trifft dich die zufällige Wahl der Zimmer einfach besonders hart. So wohnte ich in jener Nacht mit den Fenstern in Richtung des Innenhofs. Und jeder, der schon einmal in der unmittelbaren Nähe des Hamburger Kiez residierte, weiß: es kann laut werden, es wird laut und es wurde laut.
Es war Winter. Also hingen mein Mantel sowie ein modischer Schal am Kleiderbügel direkt neben der Zimmertür bereit. Es war kurz nach fünf Uhr morgens; noch fünf lange Stunden zum ersten Termin. Ich mag es absolut nicht, wenn ich hellwach werde und die übrige Schlafenszeit ist entweder einfach nur sehr lang, oder im schlimmsten Fall noch viel länger als die Zeit, die ich bereits schlief. Ein absoluter Horror, für gewöhnlich. Also versuchte ich mich gedanklich abzulenken und schwelgte im Gedanken hier und da. Ich wurde immer fitter und drehte und wendete mich im Bett. Und da schoss mir wieder in den Kopf, was ich einmal gelesen hatte: Kannst du nicht schlafen und es überdauert gar länger als eine viertel, fast halbe Stunde, dann stehe konsequent auf und schlafe nicht. Arbeite, lese, mach im übertriebensten Fall einfach Sport oder gehe spazieren.
Es war kurz nach fünf, meine Gedanken kreisten von Meeting zu Meeting. Ich brauche einen Cut! Jetzt! Abwechslung muss her. Und der Mantel hing ja griffbereit. Zudem haben wir seit langem Maskenpflicht in Innenräumen; somit kann ich meinen Dreitagebart bestens mit hochgeschlossenem Schal und Maske verdecken.
Du weißt vermutlich schon, was nun kommt. Und genau so war es.
Es war halb sechs. Ich riss den Koffer auf, zog mir schnell BH und Höschen an und streifte die Strumpfhose am Bein entlang. Ich schlüpfte zum Abschluss noch in Rock und Bluse. Nun noch den Mantel mit dem Schal und Maske an und fertig!
Da stand ich nun im Zimmer vor dem Spiegel und begutachtete mich top in Mode im attraktiven Business Outfit.
Mein Herz pochte wie wild. Die Zimmerkarte steckte noch im Schlitz. Mein Blick schweifte vom Spiegel über mein Outfit zur Zimmerkarte. Langsam griff ich danach mit dem Wissen, gleich würde das Licht ausgehen und ich musste die Türe öffnen um wieder etwas zu sehen. Als das Licht nur noch durch das Fenster schien, wandelte sich das Outfit in einen komplett einheitlichen Farbton. Schließlich sind nachts alle Röcke grau (blau).
Ich steckte meinen Kopf und beide Ohren durch den Türspalt. Niemand zu sehen. Nichts zu hören. Kurz nach halb sechs. Nur in weiter Ferne des Hotelkomplexes vernahm ich Küchengeräusche. Sie bereiten fleißig das Frühstück vor, waren aber definitiv alle beschäftigt und sicher nicht in den Hotelgängen. Und der Rest musste einfach schlafen um diese Zeit.
Ich stieß mich selbst mit einer unsichtbaren Hand in den Flur und ließ die Türe leise ins Schloss fallen.
Jetzt war ich wie in Trance. Konzentriert und im absoluten Tunnel. So etwas „macht man“ einfach nicht. Und ja, „einfach“ war es gewiss nicht. Ich schritt langsam hoch erhobenen Hauptes den Flur entlang. Einen Fuß vor den anderen. Konzentriert balancierte ich auf den Pfennigabsätzen den Teppich hinunter. Po stolz hinausgestreckt und zielstrebig auf dem Weg zum Ende des Ganges, wo sich eine Treppe auftat.
Um es mir selbst zu beweisen, schritt ich die ersten Stufen hinauf, bis zum anderen Stockwerk. Mein Herz raste wie wild. Denn was, wenn mich jemand entdeckt? Wenn jemand mich als Mann identifizieren würde? Schnell drehte ich mich sofort um und stieg die Stufen wieder hinab. Man hörte mich aufgrund des Teppichs nicht laufen, obwohl ich im Stechschritt dem Zimmer entgegenlief.
Es war als sprangen die Sekunden wie im Flug vorbei und die Tür des Zimmers glitt wie von selbst hinter mir zu.
Stille. Das Herz pocht. Mein Körper bebt. Das Adrenalin war überall.
Ich wollte mehr. Runde zwei. Dieses Mal würde ich es locker bis zum Fahrstuhl auf der anderen Seite bringen. Schließlich möchte ich mich in einem Spiegel außerhalb de Zimmers sehen, weitgehend eine realistische Situation erleben und die Silhouette mit den feinen Stoffen im Spiegel bewundern.
Der Teppich des Flurs schluckt das Klackern der Highheels vollständig. Nur der Fahrstuhlboden tat es plötzlich nicht mehr. Somit glaubte ich sofort, jeder müsste das hören und sofort wach werden. Ich blickte angespannt, erregt und fokussiert an mir herab. Absolut stilvolle Kombi! Gefällt mir sehr gut. Schade, dass diese Art von Mode, derzeit gesellschaftlich nicht überall gut an-…
Schock!! Nein, nein, nein, nein! Stop!
Die Fahrstuhltüre verselbständigte sich und wollte vollständig schließen. Ich drückte rasch den Türe öffnen Knopf und sprang sofort hinaus. Also stöckelte ich schnurstracks zurück zum Zimmer und schloss zitternd vor Aufregung die Türe hinter mir – erneut.
Dieser absolute Erregungszustand und das Gefühl maximaler Verletzlichkeit und Freiheit zugleich, erschöpfte mich nicht, jedoch ließ es jegliche Gedanken entweichen und mich im absoluten hier und jetzt sein.
Es ist daher kaum verwunderlich, dass ich nach einer weiteren, letzten mir gesteckten Mutprobe entlang des Hotelflurs, kurz vor sechs Uhr höchst zeitig zurück ins Zimmer stöckelte und mich direkt entkleidete und zurück in meine (normalen) Schlafsachen schlüpfte. Denn übertreiben will Man(n) es ja auch nicht. Und sechs Uhr? Da kann schon mal jemand wach werden. Obwohl? Erkannt hätte Man(n) mich eventuell sowieso nicht.
Ich war höchst zufrieden. Im hier und jetzt, wie ich es mehr hätte nicht sein können. Die Situation brannte sich ein und ich ließ sie noch einmal Revue passieren. Und ich war nun endlich jeden Moment dabei, noch einmal zwei so wichtige Stunden erholsamen Schlaf zu ergattern.
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